Sonntag, 22. März 2015

Die Entscheidung über unsere Zukunft


Es steht viel auf dem Spiel


Das die immer stärker werdende Vernetzung mehr Sicherheit für die Gesellschaft erbringe ist ein Mythos. Dies wurde schon 2006, durch die Enthüllungsplattform "Wiki Leaks" sowie u.a. durch den Whistelblower "Edward Snowden" 2013 und die daraus folgende NSA Affäre, bestätigt.
Wer seine Daten im Netz preis gibt, wird zu jeder Zeit kontrolliert: Zum Beispiel: wie konform er sich über seine Medien verhält und als digitaler Konsument seine Bedürfnisse befriedigt. Jedes Fehlverhalten wir auf ewig registriert und bewertet. Angepasstes Verhalten wir mit der Freiheit im Netz belohnt, wer dem widerspricht verliert sein Recht auf Akzeptanz und wird zur digitalen bzw. gesellschaftlichen Gefahr. Wer sich der globalen Vernetzung völlig entzieht macht sich erst recht zum Verdächtigen. Ein anders sein als Andere ist kaum noch möglich, ohne das es negative Konsequenzen zu Folge hat. (z.B. über sozialen Netzwerke oder durch die logarithmische Einstufung unserer gespeicherten Daten)
Hacks und Anschläge auf unsere, sich weiter vernetzende Infrastruktur, werden täglich bedrohlicher.



Nicht nur wir, also der Mensch als Subjekt, werden zum Objekt und somit zur Quelle und Ziel von Big Data, auch Ölpipelines, Industrieanlagen und Finanzinstitute stehen im Visier.
Durch die Operation "Glotaic" verschaffte, im Verbund mit BND, CIA und NSA, der Bundesnachrichtendienst, der deutschen Tochter des US-Telekomunternehmens MCI in Hilden ,einen Zugang zu seinen Telefonleitungen. Obwohl der BND wusste, dass der amerikanische Partner gegen die deutsche Industrie Wirtschaftsspione betreibt, wollte man die Zusammenarbeit vertiefen. So  die Aussage von BND-Mitarbeiter vor den NSA-Ausschuss. 

Die jüngsten Aufdeckungen über den BND zeigen, dass der Bundesnachrichtendienst offenbar jahrelang der NSA geholfen hat, europäische Diplomaten, Behörden und Unternehmen, auszuspionieren.
Laut Medienberichten (Der Spiegel) wurden 2013 auf Veranlassung des Geheimdienstes 12.000 Suchbegriffe (z.B. E-Mailadressen von hochrangigen Diplomaten) gelöscht.


Die europäische Abhängigkeit von den amerikanischen Schlüssel-Technologien
ist die eigentliche Bedrohung unsere Sicherheit. Die Betriebssysteme Windows, Apple oder Androide sind, bis auf wenige Ausnahmen, amerikanische Marken, die unsere (angeblich gesicherten) Daten schlucken und Speichern.
Mit den importierten Fremdgeräten werden wir keine sichere IT-Infrastruktur herstellen können. Woher sollen wir wissen ob eingebaute Überwachungsfunktionen sich wirklich abschalten lassen. Mit jedem Klick auf dem PC, Tablets oder Smartphone steht ein kulturelles Bekenntnis hinter dem Big Data „Made in USA“.
Das Verständnis der Deutschen über ihre Menschenwürde ist im Grundgesetz auf ewig festgeschrieben. In dieser Verfassung wurde das unantastbare Grundrecht sichergestellt, dass der Mensch in voller Freiheit und Verantwortung sich selbst verwirklichen kann. Dazu gehört auch das Recht auf Privatsphäre und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, was u.a. auch die Kontrolle der eigenen Daten beinhaltet.

1880 wurden schon in Deutschland die Vorschriften zu Sozialversicherungen und Kartellrecht erlassen. Die Rahmenbedingungen wurden von Ludwig Erhard in der Sozialen Marktwirtschaft weitergeführt und 2007 im EU-Vertrag von Lissabon als Leitbild übernommen.
Der "Ordoliberalismus" der den europäischen Marktgeschehen die Rahmenbedingungen einer sozialen Marktwirtschaft setzen, sind undenkbar mit dem Verfassungsverständnis, etwa dem der USA. Dort liegt der Fokus nicht auf die Menschenwürde sondern auf die Freiheit im Sinne „frei sein von gesetzlichen Regulierungen“. Deshalb findet der Google-Chef Eric Schmidt es unerträglich, dass Europa Maßnahmen ergreift, die ihre gesicherte Datenanalyse anzweifelt, dabei geht es in Wahrheit darum, dass der freie Handel mit unseren Daten für Google nicht durch gesetzliche Barrieren erschwert wird.
Bei dem Druck und der Pflicht der digitalen Teilnahme erliegen wir der Illusion frei zu sein, in dem wir als Konsument zwischen Produkte und Dienstleistungen frei auswählen können und wenn es uns in der digitalen Orientierungslosigkeit als nützlich erscheint, dann geben wir dafür (frei)willig unsere Daten preis.
Es ist nicht nur leicht sondern auch zerstörend, mit dem klassischen Denkfehler des Kapitalismus, den Menschen, also wir als digitale Konsumente, zum Objekt der Wirtschaft zu mutieren und dabei unsere Grundrechte und die darauf beruhende Ordoliberalismus aufs Spiel setzen.

So ist auch bei den jetzigen Verhandlungen zum Freihandelsabkommen TTIP mit dem sogenannten Bündnispartner USA höchste Wachsamkeit angebracht.

Es steht viel auf dem Spiel wenn unterschiedliche Systeme, wie die „Soziale Marktwirtschaft“ mit seinen sozialen Rahmenbedingungen und der „Alles bestimmende Frei Markt“ der nicht von sozialer Gerechtigkeit sondern von ökonomischer Gewinnmaximierung bestimmt wird, aufeinander prallen.

Die Finanzkrise 2008 hat eindrucksvoll gezeigt, was auf dem Spiel steht, wenn falsche Rahmenbedingungen und fehlende Kontrollmechanismen den „Freien Markt“ entfesseln.

Der Verhandlungspartner USA muss überzeugt werden, dass die Regularien auf europäischen Boden auch unter TIPP einzuhalten sind. Sollte Europa glauben, dass ihre Abhängigkeit von amerikanischen Schlüsseltechnologien ein Veto auch unter politischen Gesichtspunkten nicht zulässt, werden wir nicht nur sozial-demokratische Errungenschaften verlieren sondern auch unser Wirtschaftssystem wird dann zur Nebensache.
Auch hier zeigt sich, dass durch die digitalisierte Abhängigkeit bei den TTIP Verhandlungen, Deutschland und Europa ihre wirtschaftliche und rechtliche Souveränität ablegen müssen, um künftig integraler Bestandteil des amerikanischen Marktes zu sein.
Nach dem 2. Weltkrieg hat die Weltmacht USA viele Kriege geführt, um fremden Staaten und Kulturen ihre demokratische Ideologie aufzubürden, sie haben keinen dieser Kriege siegreich beenden können.
Mit dem ausgehandeltem TTIP-Abkommen will die USA die europäische Wirtschaftskultur, dem ökonomischen und kulturellen Verständnis einer amerikanischen Freihandelszone unterwerfen.  Die USA kann nur ein Partner sein wenn sie unsere Grundrechte im vollen Umfang akzeptiert. Herr Gabriel: "Es steht viel auf dem Spiel".

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Mein Artikel enthält Auszüge aus dem Feuilleton "Die Zeit" vom 05.03 2015 „Europa versagt“